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Marken im Stresstest
Author
Reinhard Herok

Digitale Täuschung als neue Normalität

„Wir leben in einer Welt voller Fälschungen“ – dieser Satz aus der W&V (03/2025) bringt die Herausforderung für Marken auf den Punkt: In Zeiten digitaler Täuschung wird Vertrauen zur härtesten Währung. Was früher klar unterscheidbar war – echt oder unecht, glaubwürdig oder manipuliert – verschwimmt heute im digitalen Nebel.

Deepfakes, Fake News, KI-generierte Inhalte und algorithmische Zuspitzung verändern nicht nur die Medienlandschaft, sondern auch die Spielregeln der Markenkommunikation. Was zählt, ist nicht mehr zwingend das Wahre – sondern das, was Aufmerksamkeit erzeugt. Emotion ersetzt Einordnung, Vereinfachung verdrängt Kontext.

Vertrauen als strategisches Kapital

In dieser neuen Realität geraten Marken in ein Spannungsfeld: Sichtbarkeit garantiert keine Wirkung mehr, Reichweite erzeugt nicht automatisch Vertrauen. Ein prägnantes Beispiel ist das gefälschte Interview mit Elon Musk, das 2024 viral ging. Innerhalb weniger Stunden verbreitete sich ein KI-generierter Deepfake weltweit – mit realen wirtschaftlichen Folgen. Selbst etablierte Medien ließen sich täuschen. Der Fall zeigt, wie brüchig die Grenze zwischen Realität und Inszenierung geworden ist.

Gerade deshalb kommt Marken heute eine besondere Rolle zu. Sie sind nicht nur Absender von Botschaften, sondern Vertrauensanker in einer verunsicherten Öffentlichkeit. Wer kommuniziert, übernimmt Verantwortung – ob bewusst oder nicht.

Haltung statt Hochglanz

Glaubwürdigkeit entsteht nicht durch Inszenierung, sondern durch Substanz. Wer als Marke überzeugen will, muss konsistent, nachvollziehbar und werteorientiert auftreten. Es reicht nicht, modern zu wirken oder gute Produkte zu haben. Vertrauen entsteht über Zeit – durch Haltung, Transparenz und Konsequenz.

Patagonia gilt hier als Vorbild: Die Marke hat sich über Jahre hinweg ein glaubwürdiges Profil aufgebaut, das durch Taten gestützt wird. Ihre Kommunikation wirkt authentisch, weil sie auf gelebten Werten basiert – nicht auf kurzfristiger Aufmerksamkeit.

Plattformrisiken und Kontextsensibilität

Digitale Plattformen sind für Marken unverzichtbar – und zugleich riskant. Algorithmen belohnen Zuspitzung, Polarisierung und Desinformation. Wer in problematischen Kontexten auftaucht, gefährdet seine Glaubwürdigkeit. Der Rückzug von Unilever aus bestimmten Plattformen war ein deutliches Signal: Markenführung ist heute auch Kontextmanagement.

Marken als gesellschaftliche Akteure

Marken sind längst nicht mehr nur Teil des Diskurses – sie gestalten ihn aktiv mit. Sie setzen Themen, verschieben Narrative und verleihen gesellschaftlichen Fragen ein Gesicht. Die Lebensmittelrettungs-App Too Good To Go zeigt, wie das gelingen kann: Sie macht nicht nur auf ihr Angebot aufmerksam, sondern prägt aktiv die Debatte über Konsumverhalten und Wertschätzung von Lebensmitteln.

Fazit: Haltung entscheidet

Marken können nicht neutral sein. Wer kommuniziert, bezieht Position – bewusst oder unbewusst. In einem digitalen Raum, in dem alles gesagt werden kann – und auch wird – entscheidet am Ende nicht die Lautstärke, sondern die Glaubwürdigkeit.

Marken, die Vertrauen aufbauen und erhalten wollen, brauchen heute mehr denn je eine klare Antwort auf die Frage:
Wofür stehen wir – und wie kommunizieren wir das glaubwürdig, konsistent und mit Haltung?

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